Extratour in die Oberfichtenmühle


Wanderführerin: Lisa Rikirsch
Samstag, 03.06.2023, 9 km



Im Schwabacher Tagblatt erscheint ein ganzseitiger Artikel über Herrn und Frau Mehl aus Roth. Herr Mehl hat seit seinem 14. Lebensjahr über nahezu 70 Jahre hinweg Gegenstände des täglichen Lebens gesammelt. Um sie der Nachwelt erhalten zu können hat er diese Sammlung, quasi als sein Lebenswerk, nun dem Heimatverein Rednitzhembach für ein Museums-Depot übertragen. Die Sammlung ist an zwei Wochenenden über Pfingsten in der Oberfichtenmühle, einem Rednitzhembacher Ortsteil zu besichtigen.
Sieglinde hat die Idee, dies zum Anlass für eine spontane Wanderung zu nehmen. Die Kulturwartin wird somit auch gleich zum begeisterten Ausführungsorgan.
Nach der Abklärung, dass der offiziell an diesem Tag stattfindenden Wanderung ins Urdonautal, mit 19 km Länge keine Wanderer streitig gemacht werden, geht die Meldung über Buschfunk an die potentiellen Donnerstagswanderer, deren Limit mittlerweile etwas niedriger anzusiedeln ist.
Das Echo ist beachtlich für einen Samstag. 13 Wanderer und –innen finden sich um 10:03 Uhr am Bahnhof in Rednitzhembach ein. Fünf kommen beim Mittagessen noch hinzu. Der Weg nach Mittelhembach ist allen bekannt und unspektakulär. Einzig mein Konterfei als Stahlskulptur am Rathausplatz, ursprünglich in blau, mittlerweile in rostig, welches mein irdisches Dasein sicherlich noch lange überdauern wird, wird als Highlight angepriesen.
Das Mittagessen bei Nico und Liza in Mittelhembach, welche das Gasthaus „Zur Linde“ nun schon in der zweiten Generation betreiben, findet uneingeschränkte Zustimmung.





Sieglinde mahnt zum Aufbruch, die Ausstellung schließt doch um 17:00 Uhr. Die zwei Kilometer zur Oberfichtenmühle sollten bis dahin locker zu schaffen sein, so der allgemeine Tenor.
Herr Dr. Nopitsch, Besitzer der denkmalgeschützten Oberfichtenmühle und Vorsitzender des Arbeitskreises Heimat und Geschichte Rednitzhembach erwartet uns bereits. Noch vorher, am Kunstwerk „Durch den Wind“ gibt uns unsere Kulturwartin neben einer Erläuterung zu besagtem Kunstwerk einen geschichtlichen Abriss über die Entwicklung und Bedeutung der Oberfichtenmühle.
Die ehemalige Papiermühle wird schon 1363 als „Viecht Muel“ genannt und war eine der ersten Papiermühlen im Markgraftum Ansbach. Eines der beiden Mühlwerke, die vom Hembach angetrieben wurden, diente zusätzlich dem Betrieb einer Schleifmühle. 1557 wurde in unmittelbarer Nähe zu den Papiermühlen auch eine Ziegelhütte errichtet. 1684 ging die Mühle in den Besitz des Markgrafen von Ansbach über. Wegen der Qualität des erzeugten Papiers wurde die Oberfichtenmühle zu einer der bedeutendsten Papiermühlen im deutschsprachigen Raum. 1871 entstand ein Zweigbetrieb der Glocken-Bleistiftfabrik aus Schweinau. Die hier gefertigten Produkte wurden bei den Weltausstellungen in London, Paris und Santiago de Chile wegen ihrer herausragenden Qualität mit Medaillen ausgezeichnet.
Geflügelzucht, Hammerwerk zur Bronzeherstellung, Spielwarenfabrik, Tabakwaren und Lamettafabrikation waren weitere Schritte in der Entwicklung.
Ich persönlich erinnere mich gut an den ehemaligen Betsaal in der Ziegelei. Hier habe ich die heilige Erstkommunion empfangen. Eine katholische Kirche gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Rednitzhembach.
Die Sammlung des Herrn Mehl ist für unsere Altersgruppierung ein Spiegel unserer persönlichen Lebensgeschichte. Sind wir doch alle mit den Gegenständen aufgewachsen und vertraut. Einzig die Fertigung von Christbaumschmuck und Kinderspielzeug ist für viele unbekannt, da die Betriebe in Roth ansässig waren und die Fertigung überwiegend in Heimarbeit am Küchentisch vieler Familien stattfand.
Vollgestopft mit persönlichen Erinnerungen machen wir uns auf den Heimweg. Weil die hoch stehende Sonne ihre Strahlen unerbittlich auf uns richtet, lassen wir es uns nicht nehmen, an der idyllischen Hembacher Kahnfahrt mit einem Gläschen Wein den Tag ausklingen zu lassen.






Text und Bilder Roland Rikirsch

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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