Entlang der „Schiefen Ebene“  


Wanderführer: Roland Beck
Sonntag, 28.05.2023, 9,5 km


Dass die „schiefe Ebene“ etwas mit der Eisenbahn zu tun haben könnte, darauf wird wohl kaum einer kommen, der nicht irgendeine tiefe innere Beziehung zur Bahn hat, so wie unser Wanderführer. Er hat die Wanderung bewusst ausgesucht, weil die „Schiefe Ebene“ heuer auf ihr 175-jähriges Bestehen zurückblicken kann. Er verrät uns, dass bereits im Jahre 1846, also schon in frühester Eisenbahnzeit durch König Ludwig I. eine Süd-Nord-Bahn über 566 km von Lindau über Augsburg und Nürnberg nach Hof gebaut werden sollte. Im geplanten Streckenabschnitt von Neuenmarkt nach Marktschorgast musste ein Höhenunterschied von 158 m auf einer Strecke von ca. 7 Km überwunden werden. Die bis dahin bekannten technischen Lösungen, wie z.B. Pferdebahn oder Seilzugbetrieb mit stationären Dampfmaschinen schieden aus. Die aus heutiger Sicht naheliegende Lösung, eine Zahnradbahn, war noch nicht erfunden. Schließlich wurde man in Amerika fündig. Dort war es zwischenzeitlich gelungen, die bisher üblichen Lokomotiven mit starrem Rahmen durch Drehgestelle und gekuppelte Antriebsräder zu verbessern und dadurch enge Kurven und starke Steigungen befahren zu können.
Nun konnte der Bau der Stecke angegangen werden. Zur Überwindung von Seitentälern und zur Anlehnung an die Hänge wurden insgesamt zwei 1400 m lange Steindämme gebaut, die bis zu 32 m Höhe erreichen. Drei Straßen- und 10 Bahnbrücken, sowie zahlreiche Durchlässe und Wasserkaskaden mussten von 1844 bis 1848 errichtet werden. Diese Bauwerke sind bis heute fast unverändert erhalten geblieben und durch den „Lehr- und Informationspfad Schiefe Ebene“ gut zu erreichen. Die Strecke wurde mit einer durchgehenden Steigung von 1:40, entsprechend 25 Promille angelegt, was die Möglichkeit ergab, mit einer zusätzlichen Vorspannlokomotive die Züge über den Berg zu bringen. Nach mehreren Kupplungsrissen aufgrund der hohen Zugkräfte ging man vom Vorspann- auf den Schiebebetrieb über, woran sich dann für die nächsten 125 Jahre nichts mehr änderte.



Den Tag der Wanderung, Pfingstsonntag, hat Roland bewusst gewählt, sind doch anlässlich des Jubiläums diverse Veranstaltungen, sowie auch Dampfzugsonderfahrten auf der Strecke angeboten. Ihn wegen seiner Leidenschaft zur Eisenbahn, insbesondere zur Dampflokomotive, als „Dampfplauderer“ zu titulieren wäre weit gefehlt, verfügt er doch über ein unglaublich umfangreiches und fundiertes Wissen über dieses Medium, welches er mit beeindruckender Sachkenntnis an uns weitergibt.
Unsere Reise unternehmen wir selbstredend mit der Bahn. Dabei überrascht uns die offenbar neue Taktik der Bahn, den Pünktlichkeitsgrad zu verbessern: Unser Zug fährt ohne irgendeinen Hinweis einfach zehn Minuten vor der geplanten Abfahrt ab. Trotzdem kommen wir pünktlich in Neuenmarkt an! Wir müssen umsteigen, weil wir unsere Wanderung von Marktschorgast, oben auf dem Berg liegend, abwärts laufen wollen. Nächste Überraschung der Bahn: Von den drei gekuppelten Einzeltriebwagen, welche von Kulmbach kommend einfahren, fährt leider nur der erste nach Marktschorgast, der Rest nach Bayreuth. Wir sitzen im zweiten und sehen unseren Zug gerade noch abfahren, können aber glücklicherweise noch rechtzeitig aussteigen. Dieses kluge Manöver der Bahn überrascht auch unseren Spezialisten.
Was tun? Wir entscheiden uns für die Wanderung in Gegenrichtung, also bergauf.
Aus dem kleinen Dorf Neuenmarkt wurde durch den Eisenbahnbau ein wichtiger Stützpunkt mit Betriebsanlagen und Werkstätten. Die zum Betrieb benötigten Menschen siedelten sich im „Eisenbahnerdorf“ an, durch das wir den Ort verlassen. Kurz nach der letzten Weiche mündet von Süden kommend die „Schlömener Kurve“ ein. Eine Aufwertung der historischen Trasse zum Jahrtausendwechsel. Im Rahmen des Ausbaus der „Franken-Sachsen-Magistrale“ Nürnberg – Dresden durch den Einsatz moderner Neigetechnik-ICE’s sollte dadurch ein zeitaufwändiger Richtungswechsel in Neuenmarkt vermieden werden. Wegen unzähliger technischer Probleme dieser Züge wurde der Betrieb mit diesen Zügen nach kurzer Dauer wieder eingestellt.
Oben am „Zwischenblock Streitmühle“ bei km 77,9 erwarten wir die Bergfahrt des Dampfzuges. Der Zwischenblock wurde 1892 eingebaut und bestand jeweils aus einem Signal für das Berg- und Talgleis. Wenn ein bergfahrender Zug den Block passiert hatte, stellte der Wärter das Signal wieder auf Halt. Damit konnte ein in Neuenmarkt wartender Zug bereits abfahren. Da in jener Zeit ein Güterzug mehr als eine halbe Stunde für die Bewältigung der Rampe brauchte, konnte so eine wesentliche Steigerung der Streckendurchlässigkeit erzielt werden. Der mit einer Dampflok der Baureihe 35 bespannte Sonderzug benötigt das Haltesignal nicht, trotzdem ist die Anstrengung der Lok während der Bergfahrt unüberhörbar. Der Heizer muss dabei ständig Kohle in den Kessel nachschaufeln, um den Dampfdruck hoch zu halten. Das ist ein „Knochenjob“. Wir mussten uns bis hierher nicht sonderlich anstrengen, gönnen uns aber trotzdem eine kurze Pause mit Brotzeit aus dem Rucksack am Unterstand für Wanderer.





Der Knochenjob beginnt nun allerdings auch für uns. Die Sonne brennt unerbittlich herunter und wir müssen erstmal steil hinabsteigen um den ersten Tunnel durch den hier 22 m hohen Steindamm zu erreichen. Mächtig steht er vor uns, als wir aus dem Tunnel heraustreten. Das umgekehrte Spiel am nächsten Tunnel, wir müssen wieder hinauf auf Schienenniveau und am Tunnel VII wieder genauso steil hinunter. Das schlaucht selbst unseren gut beleibten Wanderführer. Wir begnügen uns mit dem Anblick der 32 m hohen „Rauhen Mauer“. Es wird beschlossen, den letzten Aufstieg auszulassen und auf dem tieferliegenden Fahrweg weiter zu gehen. Ich entscheide mich, noch einmal hinaufzusteigen zur Aussichtsplattform auf Schienenhöhe und hier das angestrengte Schauspiel der Bergfahrt des Sonderzuges nochmal zu genießen. Meine Wandertruppe hole ich auf dem angenehmen Weiterweg Richtung Marktschorgast wieder ein. Ich muss zugeben, sie haben auch auf mich gewartet. Den Bahnhof Marktschorgast erreichen wir rechtzeitig, um im gegenüber liegenden Gasthaus noch ein erfrischendes Bierchen zu trinken. Entspannt geht es nun die „Schiefe Ebene“ im Triebwagen hinunter nach Neuenmarkt. Zu einem Besuch des „Deutschen Dampflokmuseum“ reicht die Zeit leider nicht mehr. Wir bleiben im Zug sitzen und erreichen über Lichtenfels und Bamberg wieder Nürnberg.
Lieber Roland, das war ein tolles, wenn auch anstrengendes Erlebnis. Danke!








Text: Roland Rikirsch
Bilder: Roland Rikirsch und Henry Siggelkow

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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