Zu den historischen Wasserschöpfrädern nach Möhrendorf

Donnerstag, 04.07.2024
Wanderführerin: Lisa Rikirsch, 11 km


Die zehn Möhrendorfer Wasserschöpfräder an der Regnitz gehören zu den letzten ihrer Art in Mitteleuropa und sind ein einmaliges Kulturdenkmal.
Sie sind seit dem 15. Jahrhundert nachweislich belegt. Man vermutet, dass die in Mesopotamien bereits 250 Jahre v. Chr. bekannte Technik durch Kreuzritter, Jerusalempilger und Nürnberger Kaufleute nach Franken gebracht wurde. Im Jahre 1805 waren an der Regnitz zwischen Fürth und Forchheim auf einer Länge von ca. 25 Flusskilometern noch etwa 190 solche Wasserräder in Betrieb, so viele wie an keinem anderen Fluss in Mitteleuropa. Der Betrieb der Wasserschöpfräder ist nach der in Teilen noch heute gültigen Baiersdorfer Wasserverordnung von 1693 nur vom 1. Mai bis 30. September erlaubt.
Jedes Wasserschöpfrad hat einen Sponsor, der mit seinem Team für den Auf- und Abbau, sowie die Instandsetzung und Einlagerung im Winter zuständig ist.
Um ein Wasserschöpfrad aufzubauen sind zunächst die Stauanlage, ein kleines Wehr, welches das Wasser aufstaut und dem Schöpfrad zuführt, sowie die „Radstatt“, die das Untergestell für das Schöpfrad bildet und ganzjährig im Wasser verbleibt, erforderlich. Für beides ist das Wasserwirtschaftsamt zuständig.
Das Schöpfrad ist gleichzeitig der Wasserantrieb der Anlage und das Fördergerät für das Bewässerungswasser. Es besteht aus über 500 Teilen, die durch mehr als 300 Holzkeile und Holznägel, sowie 76 Spann- und Fassringe zusammengehalten werden. Außer Wellenzapfen und Spannringen an der Welle und Fassringen an den Kümpfen (Schöpfeimer) sind alle Teile aus Holz. Das Schöpfrad hat vier Meter Durchmesser und wird von 24 Schaufelbrettern angetrieben. Die Schöpfeimer oder „Kümpfe“ sind bis auf die drei eisernen Fassringe komplett aus Holz gefertigt und werden mit zwei ebenfalls hölzernen Kumpfnägeln am Radkranz befestigt. Ein einfaches Schöpfrad trägt 24 Kümpfe am landseitigen Radkranz. Ein doppeltes Schöpfrad hat auch auf dem flusseitigen Radkranz nochmals 24 Kümpfe. Jeder Kumpf fasst etwa 30 Liter Wasser, transportiert aber nur etwa 10 Liter bis ganz nach oben. Pro Umdrehung werden also 240 Liter beim Einzelrad, oder 480 Liter beim Doppelrad gefördert, welche über einen hölzernen Gießtrog und Ablaufrinnen dem Bewässerungssytem der Wiesen zugeführt werden. Ein einfaches Wasserrad schöpft somit pro Tag etwa 1400 Kubikmeter Wasser und kann damit bis zu acht Hektar Wiesen bewässern.
Wir starten mit unserer Wanderung an der S-Bahnhaltestelle in Bubenreuth und gelangen auf dem recht unangenehmen Fuß- und Radweg teilweise entlang der lauten Autobahn, zum Parkplatz am Ortseingang von Möhrendorf. Hier werden erst einmal die frischen Kirschvorräte eines mobilen Verkaufsstandes geplündert. Unsere Schöpfrad-Exkursion beginnt dann am gleich daneben liegenden „Vierzigmannrad“, dem derzeit einzigen Doppelschöpfrad (36 Kümpfe) an der Regnitz. Es gehört zu den drei Schöpfrädern welche auf der rechten Flusseite stehen. Die anderen sieben Räder stehen am linken Flussufer. Etwa 100 m weiter flussaufwärts können wir das ebenfalls rechtsseitige „Schmiedsrad“, sowie das linksseitige „Rinnigrad“, beides Einfach-Schöpfräder mit 24 Kümpfen, bewundern. Wir müssen nun die Regnitz überqueren und gleich rechts in die Kleinseebacher-Straße einbiegen, weil wir uns noch das „Wässerwiesenrad“ für ein Gruppenfoto ausgesucht haben. Vorbei an der Seebacher Mühle und am neuen Kanal entlang gelangen wir in leichtem Nieselregen zum alteingesessenen Landgasthof Schuh für unsere Einkehr. Heute gibt es ganz frische Schlachtschüssel zu moderaten Preisen, da braucht niemand lang zu überlegen. 







Als wir wieder aufbrechen, haben sich die feinen Nieseltröpfchen vor der Wirtshaustüre offensichtlich gewerkschaftlich organisiert und zusammengeschlossen. Das ist gemein. Da sie durch den Zusammenschluss nun aber schwerer sind, fallen sie ganz schnell zu Boden und nach wenigen Metern gibt es keine mehr. Gut für uns, weil wir zum „Hohl“ hinaufsteigen wollen. Der „Hohl“ ist eine in den Sandstein gehauene Kelleranlage, deren Ursprung nicht belegt ist. Er wurde vermutlich zum Lagern von Kraut, Rüben und Meerrettich, und später auch Bier benutzt. Die Kelleranlage ist mehrgeschossig und teilweise bis zu 80 Meter mannshoch in den Fels gehauen. Leider kann man durch die verschlossenen Eingangsgitter nichts erkennen. Einmal im Jahr, am letzten Wochenende im Juli kann man die oberen Keller besichtigen und bei den unteren wird, wie in alten Zeiten, Bier ausgeschenkt. Wir müssen auch nicht darben, Erika und Konrad beglücken uns mit Eierlikör im Schokobecher. Über Oberndorf gelangen wir, kurzzeitig am Kanal entlang, im Regenschauer, nach Möhrendorf zurück, wo wir uns vom Bus wieder nach Bubenreuth zur S-Bahn bringen lassen. Am Nürnberger Hauptbahnhof verabschieden wir uns von unserer neuen Mitwanderin Monika. Sie hat sich uns spontan angeschlossen nachdem sie gefragt hat, ob wir eine Wandergruppe sind und wohin wir gehen. Wir sind uns sicher, dass wir sie bald wieder treffen werden, weil sie dann aber gezielt mit uns wandern möchte.






Text und Bilder: Roland Rikirsch

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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