Über die Neumarkter Zeugenberge
Donnerstag, 15.10.2020
Wanderführerin: Lisa Rikirsch, 15,5 km
Wir sind ausgebucht, 20 Mitwanderer, mehr geht nicht zu Corona Zeiten.
Am Bahnhof in Schwabach müssen sich leider zwei Teilnehmer wieder verabschieden, wegen unerwarteter gesundheitlicher Probleme, kein Corona. Das ist mutig, ehrlich und rücksichtsvoll, auch wenn der Fahrschein schon bezahlt ist.
Vom Haltepunkt Pölling aus besteht unsere erste Herausforderung im Aufstieg auf den 549 m hohen Schlossberg mit seinem Burgstall Heinzburg. Durch die Regenfälle der Nacht sind die Wege schmierig und rutschig. Wieder einmal bewährt sich die Empfehlung der Wanderführerin, Stöcke mitzunehmen.
Im Vorgriff auf den nach der Mittagspause zu erwandernden Poesieweg rezitiert unsere Kulturwartin im Angesicht einer vitalen Buche ein poetisches Meisterwerk von Heinz Erhardt: „Die Made“.
Die Wolken zum Greifen nahe über unseren Köpfen wandern wir über den Heinrichsberg und die Hochstraße zu unserem höchsten Punkt der Wanderung den Dillberg (595 m), welcher hier die europäische Wasserscheide markiert. Knurrende Mägen weisen uns darauf hin, dass es Zeit für eine Einkehr ist. Wir müssen wieder hundert Höhenmeter absteigen um diesem Verlangen beim „Bucher Wirt“ nachzukommen. Die Qualität der Gerichte reißt uns nicht vom Hocker, wir haben das in besserer Erinnerung. Egal, Hauptsache man kann derzeit überhaupt einkehren.
Die hundert Meter müssen wir nun wieder hinauf. Am Fuß der Sendemasten am Dillberg treffen wir nun auf den oben schon erwähnten Poesieweg. Die Ausbeute der geforderten geistigen Ergüsse aus der Wandergemeinschaft hält sich in Grenzen. Die Kulturwartin dagegen hat noch einiges vorbereitet.
Gerade als ich im Begriff bin, das Beste verfügbare Produkt aus unserem Alkoholdepot im Keller, einen Kastanienlikör aus der Region Ardéche in Südfrankreich zu kredenzen, stellt jemand fest: „Da fehlt doch jemand“. Unsere akribische Personenkotrolle führt zu dem fatalen Ergebnis: „Da fehlt tatsächlich jemand“, und zwar unsere Gisela. Kaum gedacht, klingelt schon irgendein Telefon im Rucksack mit der vorwurfsvollen Anfrage: “Wo seid ihr denn?“ Schuldbewusst mache ich mich auf den Weg ins Tal, um Gisela wieder in den Kreis der „Kastanienlikörgenießer“ einzugliedern. Wenige Schritte weiter erkunden wir auf einem kurzen Abstecher von unserer Route mit Taschen- und Stirnlampen die künstlich geschaffenen Gänge der Bucher Silbersandhöhle. Zügig führt uns nun der Eppeleinsweg über den Brentenberg und der lokale „8er“ hinunter nach Oberferrieden. Die Berge haben wir nun hinter uns und durch das Fuchsholz und vorbei an den Mantaweihern erreichen wir auf einem urigen Waldpfad an der Schleuse 33 die Scheitelhaltung am Ludwig-Donau-Main-Kanal. Aus unserer erhofften Schlusseinkehr an der Schleuse 35 wird nichts, sie öffnet erst wieder an Ostern 2021. Das dauert uns zu lange. Bei der Einfahrt unserer S-Bahn im Bahnhof Burgthann macht die finale Frage die Runde: „Ist Gisela da?“ Klar doch, wir haben sie nicht mehr aus den Augen gelassen.
Text und Bilder: Roland Rikirsch